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Dienstag, 28. September 2010

Predigt von Pfarrer Martin Brunnemann

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes.
Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.(2.Tim.1,7-10)

Liebe Gemeinde,

der Apostel beginnt negativ. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, Negativ reden ist einfacher als positiv zu reden. Strecken wir uns mal gleich nach oben! Es ist einfacher zu sagen, was Gott nicht ist, als was er ist.
Gott ist nicht der unbewegte Regisseur des Welttheaters. Gott ist keine erste Ursache, die einmal alles anstieß, um sich dann zurück zu ziehen. Gott ist nicht König und wir seine Sklaven. Oder, Gott ist nicht so wie wir Menschen, er ist unvergleichbar… Wir können diese Negativreihe fortsetzen. Aber irgendwann kommt mit Sicherheit die ungeduldige Aufforderung – sag’s positiv. Und das müssen wir diesem merkwürdigen Apostel Paulus lassen, er hat da allerhand zu bieten, positiv zu sagen, was der Geist ist, den er und sein Gegenüber von Gott bekamen. Zwar beginnt er negativ, Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben… aber dann, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit! Das sollte man sich doch einprägen, nicht den Geist der Furcht sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Wenn das kein Pfund ist, mit dem Sie wuchern können, liebe Gemeinde!
Nun hat unser Apostel seine Briefe bekanntlich nicht im Lutherdeutsch sondern in Griechisch geschrieben. Und da gibt es dann selbst beim heiligen Luther manchmal Übersetzungen, die ziemlich weit ab von dem sind, was im Urtext, im Griechischen, steht. Und bei Luther sind das merkwürdiger Weise oft keine Nebensachen sondern entscheidende Wendungen. Da hat der geistbegabte Riese aus dem Mittelalter am Text weitergebaut, ganz genial, bis heute besser als alles andere. Und dann ist man leider als ein auf die Schrift verpflichteter Theologe gezwungen, das zu sagen, was er da zeugte. Bei uns, in unserem Text, ist es das Wort „Furcht“, das Luther in den Text einträgt. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht…Im Griechischen steht da „Feigheit“.
Furcht und Feigheit, dazwischen können Welten stehen. Furcht ist menschlich, auch wenn in der Bibel behauptet wird, sie sei nichts nütze. Furcht wird verziehen, ich hätte beinahe gesagt, Furcht muss verziehen werden. Nicht umsonst heißt es in der Bibel wieder und wieder „Fürchte dich nicht!“ Die Furcht bleibt und ohne Zuspruch verschlingt und knebelt sie uns Menschen.
Feigheit. Dagegen, Feigheit wird nicht verziehen. Feigheit verdirbt das Bild eines Menschen bis in die Wurzeln. Feigheit sondert ab. Religiös gesprochen, Feigheit verunreinigt. Und – Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Feigheit. Das Problem aber, liebe Christenmenschen, ist dieses, dass beides Geist ist. Geist der Furcht und Geist der Feigheit und es ist verdammt schwer, die Geister zu scheiden, ja, Gott selber muss mitmischen, wenn die Unterscheidung der Geister gelingen soll.
Furcht – Feigheit. Sie wissen viel besser, wo wir leben, liebe ökumenische Gemeinde. Sind die Christen mit ihrem Christentum in der Türkei so leise, weil sie sich fürchten müssen oder sind sie so leise, weil sie feige sind? Eine gemeine Frage, die ich nur stellen darf, weil ich mich mit ihr in der vergangenen DDR mindestens drei Jahrzehnte intensiv beschäftigte. Sind meine Frau und ich mit Familie und Sack und Pack einmal aus einer Gesellschaft weggegangen, weil dort die Menschen zur Feigheit gedemütigt wurden, um jetzt freiwillig in eine Welt zurück zu gehen, in der man Wanzen husten hören kann und noch nicht gelernt worden ist, das es mehr als eine Religion gibt? Wo endet die Feigheit, wo beginnt die Furcht, in der Gott beistehen wird? Das sind Fragen, bleibende Fragen, auch wenn sie manchmal einen rhetorischen Charakter angenommen haben.
Der Apostel beginnt negativ und wird dann überwältigend positiv – Gott gab uns den Geist der Kraft, die Liebe und der Besonnenheit. Hören Sie die Reihenfolge, liebe Gemeinde? Zuerst einen Geist der Kraft. Wenn man doch erklären könnte, wie solche Reihen zustande kommen. Kraft, Liebe, Besonnenheit. Sind das Zufälle, ist’s gewollt oder noch geheimnisvoller kommt das aus irgendwelchen Tiefenschichten unseres Lebens, die nicht wir beherrschen, sondern die uns im Griff haben?
Wie es auch sei, der Geist der Kraft, die Dynamik, also die Glaubensdynamik steht am Beginn der Reihe. Daran soll ich Sie heute erinnern, Sie dieser Tatsache froh machen.
Ihr Glauben ist Kraft, ist Dynamik. Er kann Sie tragen. Er kann Sie über Wasser halten. Er hält Sie aus samt allem, was Sie selber nicht aushalten zu können meinen.
Hier jedenfalls steht die Kraft vor der Liebe und vor der Besonnenheit, und das ist gut so! Unser Glauben hat zwar mit Sicherheit mit dem „Seelenheil“ zu tun, wie es „Türkis“ locker, flockig formulierte, aber auch mit unausweichlichen Kampf, mit Selbstüberwindung und mit Öffentlichkeit, die zum Leben einer solchen Kraft bedarf.
Erstaunlich, erfreulich konkret sagt der Apostel es nicht nur negativ sondern auch gefährlich positiv. So ist der Teil Gottes. den er sozusagen in uns einverleibte, sein Heiliger Geist. Unser Glauben zwingt zur Eindeutigkeit und schafft Konkretionen, weil sein Anfangs- und Endpunkt in einem einzigen Ja zusammen fällt. Dieses Ja ist letztlich und zuerst nichts anderes als ein Name der Name Jesus Christus. Diesen Namen, diese Konkretion des erschienen Lebens feiern wir in unseren Gottesdiensten. In unserer Welt des Fragens und Tastens und Verfehlens gibt es, gibt es wirklich diesen Namen, der über alle Namen ist.
Unser Text steht in einem sehr persönlichen Brief, jedenfalls im Vergleich mit den anderen biblischen Briefen. Die theologische Wissenschaft hat dafür den Namen „Pastoralbrief“ geprägt. Und einer Erklärung des Briefs wird mit einer glücklichen Wendung gesagt, der Brief sei Seelsorge am Seelsorger. Bemerkenswert ist da, dass derjenige, der sich um die Seele des Timotheus sorgt im Gefängnis sitzt und dass er behauptet, sein großer Seelsorger sei einer, der am Kreuz sterbend siegte. Und dieser Apostel hat in seiner Seelsorge den Mut, seinen Klienten zu belasten, indem er ihn auffordert, sich einzureihen in die Linie des Lebens, Kreuzigung, Gefängnis, Gegenüber zur Welt…leide mit mir für das Evangelium…
Es gibt viel Schamhaftigkeit bei uns Christen, viel Getrickse, um sich mit dem Sehen lassen zu können was so als „Christentum“ verstanden werden soll, Viele suchen eine Lücke, in der sie mit sich und einem bisschen Glauben über die Runden kommen können. Ich darf das wieder so sagen, weil ich zu denen, gehöre die schwach sind, obwohl sie stark gemacht wurden, zu denen, die sich gegen alle geschenkte Liebe isolieren und zu denen, die auf den Tisch hauen, weil sie den Geist der Besonnenheit vergaßen.
Aber wir sind mehr als wir meinen. Unser Leben steht im Licht durch das Evangelium, amen.

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