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Sonntag, 15. Juni 2008

Predigten zum Vaterunser - 15.Juni 2008

Liebe Gemeinde,

wir wenden uns heute den letzten drei Bitten des Vaterunsers zu.
In den ersten drei Bitten, von denen wir an den vergangenen Sonntagen gehört haben, ging es um das Verhältnis des Menschen zu Gott. Gott ist dem Menschen voraus. Sie sind abhängig von Gott, seinem heiligen Namen, seinem Reich, seinem Willen.
Das sehen sie nicht gerne ein, und so bilden sich die Irrwege des Menschen, der alles "auf eigene Faust" versucht.
Am letzten Sonntag, bei der Brotbitte, haben wir das in materieller Hinsicht bedacht: Wenn wir uns nicht als von Gott Beschenkte sehen, werden wir nicht wirklich satt. Wir wollen immer mehr. Angst und Gier treiben uns in die Irre.

Bei den letzten drei Bitten geht es nun um den Menschen und seine Seele selber. Das ist die Frage: Wie geht der Mensch mit sich, seiner Seele und seinem Leben um?

Da begegnet uns zunächst das Thema"Schuld":" Und vergib, Du, Gott, uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern".
Die erste Satzhälfte ist die Bitte an Gott, aber die 2. Hälfte, an die die Bitte geknüpft ist, ist fast noch wichtiger. Das ist eigenartig: Gott möge sich so verhalten, wie wir uns verhalten. Unser Verhalten ist sogar Maßstab für sein Verhalten - und das gerade beim Thema der Schuld.
Das ist kein angenehmes Thema. Wir blenden es gerne aus. Wieso immer Schuld? Ist denn der Mensch so schlecht? - fragen wir.

Bei unserem Christlich-Islamischen Gespräch hat mich beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit die Moslems davon ausgehen, dass wir Menschen gut sind - und das wir Gutes tun können. Wir haben Gutes empfangen - ebenso sollen wir Gutes geben! Das ist ein Lebensgesetz. Positive Energie aufbauen - so hat es unser Dolmetscher mehrfach genannt.

Das ist gar nicht soweit entfernt von der 5.Bitte des Vaterunsers. Es geht da auch um Positive Energie. Es ist nur umgekehrt: Wir sollen etwas geben - Vergebung, wo uns andere schulden - , dann werden wir empfangen -Schuldvergebung, wo wir schulden.
Aber warum Schuld und Vergebung? Warum so etwas Negatives an der Wurzel des Menschseins?

Weil ein Verhängnis über dem Leben liegt - auch das ist ein Lebensgesetz - und dieses Verhängnis soll an der Wurzel bekämpft werden: Wo das Leben richtig gelebt wird, da sammelt sich Schuld. Das hören wir nicht so gerne ,- aber es ist so.
Wir leben überhaupt erst, weil anderes sein Leben gibt. Die Natur z.B. Tiere, Pflanzen, Luft, Wasser.
Noch gravierender: Was wir haben, haben wir anderen weggenommen. Sie können es eben nicht mehr haben, auch wenn sie wollen.
Tue ich einem etwas Gutes, schmerzt es den anderen - u.s.f.
Leben geschieht immer auf Kosten von... - und das sammelt Schuld.
Nun hätten wir gerne, dass man zuerst u n s vergibt. Ist ja alles nicht so schlimm - sagen wir. So ist es nunmal. Wir können ja nicht anders! Also: ungeniert weitermachen!
Aber die Bibel und Jesus wollen, dass wir z u e r s t Vergebung üben. Um Vergebung bitten.
Warum?
Weil es unsere Seele übt, weit und weich und warm zu werden und zu bleiben. Sie hat zu lernen, über ihren Schatten zu springen, den 1. Schritt zu tun, neue Wege der Versöhnung zu gehen.
Das alles bedeutet eine andere Lebenseinstellung. Wir leben aus der Vergebung, die wir gewähren.
Im Laufe des Lebens wird die Seele nur zu gerne hart und steif, wie der Körper alt und steif wird. Es gibt zuviele schlechte Erfahrungen. Da pocht man dann gerne auf Recht und Gerechtigkeit. Und alles läuft nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir!
Aber: Wer nur Recht und Gerechtigkeit will, kriegt auch "nur" Recht - und das ist oft wenig, zu wenig zum leben.
Wer aber die Seele in Barmherzigkeit übt, bekommt Barmherzigkeit und er bekommt immer mehr als ihm von Rechtswegen zusteht. Er bekommt die Fülle!

Jesus möchte, dass wir unsere Seele so in Bewegung halten. Dass wir Starrheit, Rechthaberei, Selbstgerechtigkeit und Selbstzufriedenheit überwinden. Dass wir im Leben ein weites Herz gewinnen. So von uns angesteckt werden andere Menschen auch mit uns und unserer Schuld barmherzig sein - und Gott wird uns auf jeden Fall vergeben. Denn er hat das größte Herz.


Noch ein Blick auf die beiden letzten Bitten.
Die vorletzte Bitte ist am schwersten zu verstehen. Man versteht sie nur, wenn man sie mit der letzten zusammensieht. Es geht auch um eine Herzensübung.
"Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen"
Was ist das - eine Versuchung?
Zunächst einmal sind Versuchungen wichtig fürs Leben. Wir kommen nicht an ihnen vorbei, wenn wir richtig leben lernen wollen. Versuchungen sind Proben, die wir bestehen oder verfehlen.
Versuch doch mal - und versuch es immer wieder, bis du es gelernt hast. So sagen wir es den kleinen Kindern.

Anders ist es, wenn wir als Erwachsene uns heimlich sagen: Ich versuch`s mal. Vielleicht merkt`s ja keiner. Meistens geht es dann um Betrug.
Wenn wir aber den richtigen Weg finden wollen, wenn wir moralische Menschen werden wollen, brauchen wir Versuche, auch wenn sie uns an Grenzen führen und wir so lernen müssen, "Nein" zu sagen.
So weit, so gut!

Das Vaterunser meint aber wohl noch eine ganz andere Art von Versuchung. Die geht noch viel tiefer.
Solange im Leben alles glatt und gut läuft, ist es ja gut. Aber was ist, wenn die Nackenschläge des Lebens kommen: Krankheit, Unfall, Ruin, persönliche Verletzungen, Scherbenhaufen?
Das alles verstehen wir als die eigentlichen Versuchungen. Wir zweifeln dann schnell an der guten Grundstruktur des Lebens und wollen nicht mehr. Oft zweifeln wir dann auch an Gott. Und manchmal verzweifeln wir sogar.

Kann Gott in solche Versuchungen führen? Ist das nicht eher die Aufgabe eines Teufels?

Ja, Gott kann es wirklich. Hiob hat es so erlebt und Jesus vor seinem Tode auch.
Was Gott damit will, was er uns so sagen will - das wissen wir oft nicht.
Ob er so unsere Seelenstärke erprobt, unsere Kraft? Ob er die Seele knetet bis sie schmerzt und ob er sie so formen will? Ob er das Leben so ernst und tief macht? Wir wissen es nicht. Aber wir dürfen auch nicht zynisch werden - angesichts solch furchtbarer Versuchungen. Sie bleiben eine o f f e n e Frage - nach deren Antwort wir ein Lebenlang suchen.

Um eines aber bitten wir nun doch. Niemand wird sich solche Versuchungen ja wünschen. Gott möge uns das ersparen. Er möge uns n i c h t in Versuchung führen, sondern uns von dem Bösen erlösen. Das eine ist der dunkle Gott, das andere der helle. Das Helle aber ist Gottes eigentliche Aufgabe. Und da sind wir wieder - wie am Anfang des Gebetes - ganz von Gott abhängig.

Ich fasse zusammen:
Wenn wir richtig leben, kommen wir an Schuld und Versuchung nicht vorbei. Beides hängt ja oft sogar zusammen. Das ist notwendiges Böse. So lernen wir Kraft und Stärke. So bewährt sich unsere Seele und sie weitet sich im Laufe des Lebens, statt eng und hart zu werden.
Aber Gott möge uns vergeben und bewahren - uns vom Bösen erlösen.
Deshalb rufen wir immer wieder: Vater unser im Himmel. Und das ist gut so! AMEN

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